Mittwoch, 6. Juli 2022

Eine Busfahrt, die ist lustig... (Tag 10)

 Wir wachen zeitig auf und während ich im Bad bin, geht L in die Gemeinschaftsküche und kocht Kaffee. Da muss man natürlich schnell sein und den Lieblingsplatz aller auch genauso schnell wieder räumen. Jeder möchte morgens Kaffee.

Wir frühstücken Haferflocken, verteilen den Kaffee auf Thermosflaschen und Becher. Packroutine. Inzwischen geht es ganz flott. Alles hat einen festen Platz, jeder weiß, was in welcher Reihenfolge eingepackt wird. Ich checke zum hundertsten Mal die Busverbindung. Die sich natürlich nicht geändert hat.

Beim Aufladen des Gepäcks auf die Fahrräder halten wir noch einen kurzen Schnack mit der Besitzerin. Sie meint (zu meiner Beruhigung), dass es kein Problem sein wird, mit den Rädern Bus zu fahren. Gut. Heute wären es sonst fast 50km und etwa 500 Höhenmeter, die sich nicht nur auf das beständige Auf und Ab verteilen, sondern vor allem auf drei ziemlich heftige Anstiege. Da wird ja vernünftig sind und realistisch (vor allem meinen) Fitnessgrad einschätzen können, wäre das nix. Zumal an der (wahrscheinlich) stärker befahrenen Hauptstraße.

Wir schieben die Räder den supersteilen Anstieg vom Vandrerhjem zur Straße hoch und radeln los. So ca. 50m weit, dann fällt mir (immerhin!!) siedendheiß ein, dass der Zimmerschlüssel noch in meiner Jackentasche ist. L. fährt fix zurück und gibt ihn ab. Puh! Gerade noch rechtzeitig dran gedacht.

Wir fahren durch auffrischenden Regen ein paar Kilometer nach Silsand und halten beim Supermarkt. Ein lautes Horn ertönt. Wir stellen die Räder daher am Supermarkt ab und gehen zum Wasser runter. Links die große Brücke nach Finnsnes rüber, rechts der Anleger, an dem gerade die Hurtigrute hält.


Während L. mit Kunden telefoniert, gehe ich Vorräte aufstocken. Unsere heutige Unterkunft haben wir für zwei Tage gemietet und inzwischen doch einiges aufgebraucht. Ich kaufe Haferflocken, Milch, Salat, Avocados, Tomaten, Brot, Käse und eine große Tüte Süßkram. Ich liebe ja die hiesigen Süßkramwände, an denen man sich bunte Tüten zusammenstellen kann.

Nachdem alles in der Essenspacktasche verstaut ist, rollern wir rüber zur Bakeri Nostalgia und kaufen uns die erste Zimtschnecke, seit wir gelandet sind. Wie konnte das eigentlich passieren? Im Café sind auch zwei andere Radreisende. Ich stelle dazu anekdotisch fest: die allermeisten Radreisenden sind mindestens 10 oder 15 Jahre älter als wir, sehr fit und rüstig. Viele haben deutlich mehr Gepäck mit, oft hängen auch am Vorderrad Gepäcktaschen. Wir essen draußen die leckeren Zimtschnecken, der Regen hat zum Glück aufgehört.

Dann warten wir eine ziemlich lange Weile auf den Bus. Es ist sehr viel Verkehr in alle Richtungen, gut, dass wir mit dem zusammen nicht Radfahren müssen. Der Bus nimmt uns zum Glück problemlos mit. Ticketkauf war auch easy mit der Troms Billett App. Ein Tagesticket kostet 37Kronen, Fahrrad 20Kr und ein Tagesticket 100Kr.

 Nun fahren wir warm und trocken einmal quer über Senja. Auch wenn der Verkehr außerhalb Silsands deutlich weniger ist (wo sind alle hin?), so wird mir doch klar, dass ein Bus diese Höhenmeter deutlich problemloser schafft, als ich es getan hätte. Gute Entscheidung also. Wir können rausgucken und erfreuen uns an der vielfältigen Landschaft.

Hier möchte ich mal einwerfen, dass es einen banalen, aber doch sehr offensichtlichen Unterschied zu Deutschland gibt. Es existieren hier Wiesen. Ungemäht, diverse, reichlich blühende Wiesen. Ich möchte gar nicht urteilen, ob Norweger da lieber Felder hätten, die sie bewirtschaften könnten. Es fällt nur auf. Und es ist großartig. Es summt, brummt. Von überall hört man das piepsen von Küken, aufmerksame Vogeleltern wachen über den Wiesen. Es blüht so vielfältig, ich habe (sage ich mal so), sonst noch nirgends solche "ursprünglichen" (???) Wiesen gesehen. Es gibt unterschiedliche Gräser, Farn, Schachtelhalm, Akelei, Wiesenschaumkraut, Weidenröschen, Leimkraut, Klee, Vogel-Wicke, Kriech-Weide, Moltebeere, Wollgras, schwedischen Hartriegel und sicher noch vieles mehr, dass ich nicht bestimmt habe. (An dieser Stelle eine große Empfehlung für die Flora Incognita App, sie ist wirklich toll!!!!). So stelle ich mir eine Wiese vor und würde mich freuen, hätte ich sowas zu Hause. Da will man auch gar nicht mähen.

Wir schaukeln mit dem Bus durch die Gegend und ich schaue abwechselnd auf die Haltestellenanzeige und aus dem Fenster. Die Zimtschnecke möchte gerne... naja, Busfahren ist halt nicht so meins.

Es geht hoch und dann lange wieder runter und dann liegen Fjord und Meer wieder vor uns. Die Straße ist eng, das Wasser so nah neben mir, dass ich einzelne Fische und eine schöne Feuerqualle sehen kann. Das klingt jetzt besser, als es ist. Bedeutet es doch, dass das Wasser WIRKLICH NAH an der Straße ist. Bus und Caravans versuchen den sehr begrenzten Platz der Straße zu nutzen und schieben sich aneinander vorbei.

Freunde des Vanlife: Kauft euch kleinere Caravans oder bleibt auf deutschen Autobahnen. Norwegische Straßen sind ernsthaft nicht für riesige Monsterwohnmobile geschaffen, die teilweise 70% der kompletten Straße (also beider Seiten!) einnehmen. Wer unbedingt meint sein halbes Haus mitnehmen zu müssen, sollte doch nochmal darüber nachdenken, wo er hin will, was man dort wirklich braucht und wie die Straßenverhältnisse sind. Trotz dem mir ziemlich übel ist, bin ich froh, dass ich als Radfahrer mir die Straße heute mal nicht mit diesen absurd großen Gefährten teilen muss, sondern sicher im Bus sitze.

Wir steigen in Finnsaeter aus. Strand, türkises Wasser, mehr kleine vorgelagerte Inseln mit Strand. Herrlich!

Es sind nur ein paar Kurven bis zu unserer Unterkunft. Unser Appartement ist noch nicht ganz fertig (wir sind aber auch etwas früh da), aber wir warten auch gerne draußen. Wir gehen zum Bootshaus runter und schauen über den spektakulären Fjord. Unten karibisch, auf der anderen Seite von erst seichten, runden Bergen geschützt, hinter denen sich große drohende Zackenberge erheben. Als es stärker beginnt zu regnen, warten wir im Bootshaus, trinken Kaffee, essen Croissant und schauen eben durchs Fenster raus.



Dann beziehen wir unser Appartement (sehr schön!), packen aus und um und versinken eine Weile im Nichtstun. Schließlich ziehen wir die Regenklamotten wieder über und gehen eine kleine Pokerunde spazieren. Wir entdecken einen Trollpark, der geschlossen ist. Man kann aber die Außenanlagen abspazieren. Hier stand mal ein Guinessbuch-großer Troll, der leider abgebrannt ist. Der Park steht übrigens zum Verkauf, falls jemand sechs Millionen Kronen übrig hat und einen Park mit "Entwicklungspotential" kaufen möchte. Die Bilder sehen ganz hübsch aus.





Wir spazieren noch weiter bis zur Kirche samt Friedhof und erfahren, dass es hier mal eine Nickelmine gab.

Dann gehen wir zurück, kochen Abendbrot. Es gibt Nudeln mit Sauce und dazu Salat. Mal was Frisches! Wir lassen den Abend gemütlich ausklingen, schauen eine Folge Doctor Who, dann lese ich in meinem zweiten (ha! Urlaub! Zeit!) Buch weiter und schlafe dann zum Geräusch des Regens ein.