Dienstag, 12. Juli 2022

12 von 12... (im Juli) - On the road again! (Tag 16)

 Caro sammelt 12 Bilder vom 12. eines Monats.


Heute sagen wir "Ha det, Andoya!", denn wir verlassen Andoya heute und sind damit auch am Ende unserer Radreise angelangt. Naja, noch nicht ganz am Ende. Denn heute liegen 60km vor uns, bis wir in Sortland unseren Mietwagen abholen. Das ist eine ziemlich lange Strecke, vor allem, wenn man so unfit ist, wie ich. Und wenn man zumindest ein bißchen gegen die Zeit anradeln muss, denn die Autovermietung schließt um 16:00. Wir brechen daher schon früher als gewöhnlich auf und winken gegen 9:00 dem Museumshaus zum Abschied. Die ersten 10km bis Risoyhamn sind weiterhin überwiegend flach und gerade, dafür kommt der Wind von vorn und der bläst ordentlich. Flach und gerade, um uns herum Marschland - da gibt es auch nichts, dass den Wind abbremsen würde. Wir trampeln also gegen den Wind. Dazu ist es zwar herrliches Wetter, aber auch eben auch schon über 20°C, als wir das Haus morgens verlassen.


Kaum haben wir über die Brücke bei Risoyhamn geschoben und die Insel verlassen, hat es sich mit dem norwegischen Pilotprojekt "flach und gerade" auch direkt wieder erledigt. Die Menge der Höhenmeter, die man "mal eben" so mit wegradelt steigt wieder an. Die Berge rücken näher. Der Wind bleibt, wechselt in seiner Intensität aber zwischen "nix" und "eine Windschneise erwischt uns frontal". Es wird heißer. Es sind inzwischen 25°C. Beim zweiten Frühstück gegen 10:30 oder 11:00 ziehe ich meine Jacke aus. Wir haben 20 Kilometer geschafft.


Nächste Trink- und Atmenpause bei Kilometer 30. Wir teilen unsere Getränke gut ein. Meine Leggings klebt eng und unangenehm an den Beinen. Ich hab aber nicht die Nerven, mir aus den tiefen der Packtasche eine kurze Hose zu holen. Der Verkehr ist zum Glück eher spärlich, dafür gefühlt 80% Wohnmobile, die an jeder Stelle einfach überholen. Egal, ob vor unübersichtlichen Kuppen oder uneinsehbaren Kurven oder auch, wenn sichtbar Gegenverkehr kommt. Die wenigen Autos und LKW überholen meist vorbildlich. In Norwegen ist (wie in D) ein Mindestabstand von 1,50m vorgeschrieben. Außerdem MUSS man zum Überholen die Gegenspur nutzen. Liegt es am durchschnittlichen Alter der Wohnmobilfahrer? Ist die theoretische Fahschule einfach zu lange her? Ist es vielleicht schon zu anstrengend mit genügend Abstand um Radfahrer herumzufahren?



Kilometer 42. Wir halten für einen weiteren Snack (Apfel und Möhre) und atmen ein paar Minuten länger. Man kann den recht hohen und langgezogenen Ansteig auf einer Art "Hochtal" (so hoch isses gar nicht) zwischen zwei Bergen schon sehen. Als ich mich gestärkt genug fühle, radeln wir weiter. Die Steigung kommt, ich schalte runter und strampele möglichst gleichförmig, genauso wie ich ganz diszipliniert atme, um den Berg zu schaffen. Eine Wohnmobil-Auto-Kolonne kommt von hinten. Und dann sehe ich nur noch ganz nah neben mir ein Wohnmobil, dass schnell an mir vorbeizieht. Ohne jeglichen nennenswerten Abstand. Lieber Wohnmobilfahrer aus Rosenheim: F**K Y*U ! Ich kriege einen Riesenschreck und halte einfach an. Zack. Gehirn aus. Panikmodus. Voll schön, wenn andere Menschen einen so egal finden, dass sie einen umbringen möchten. L. hält, wir schieben die Räder auf den nicht vorhandenen Seiten-/Grasstreifen, können aber wegen des mangelnden Platzes nicht richtig stehen bleiben. Also weiter. Irgendwie. Erstmal weg hier. Ich reiße mich zusammen und wir fahren weiter, irgendwie schaffe ich es den Berg hoch. An der nächsten Möglichkeit, wo es wenig Platz am Straßenrand geht, bleiben wir stehen, damit ich die Panik wegatmen kann. Da kann ich auch wieder besser denken. Also hier nochmal: Lieber Wohnmobilfahrer aus Rosenheim: Ich hoffe, du hast auf dem hinterletzten, gottverlassenen Bergpass mit deiner Sch***karre einen Motorschaden. Ich hoffe, dass du zu denen gehörst, die weder Englisch noch Norwegisch können und dann VIEL SPASS dabei, dich und dein Riesengefährt zurück nach Hause zu kriegen.

Schade, dass man in so einer kurzen Gefahrensituation nicht die Geistesgegenwart hat, sich das ganze Kennzeichen zu merken.


Kilometer 50 etwa. Wir halten nur kurz zum Trinken und Atmen am Straßenrand. Alles sehr idyllisch hier, aber inzwischen bin ich zu erschöpft, um die wirklich supertolle Aussicht zu genießen. Ich bin deutlich über meinem Leistungslimit, es ist heiß. Kein Wind mehr inzwischen oder wenn, ist es heißer Wind. 


Kilometer 50,5 oder so. Kurz hinter dem idyllischen Bootshäuschen sehen wir einen Adler auf dem Stein sitzen. Fotostopp.


Kilometer 51. Wir halten nur ganz kurz an, weil wir endlich die Brücke rüber nach Sortland sehen. Das Ende ist nah. Ich bin komplett durchgeschwitzt, nach der Paniksituation ist alles Adrenalin aufgebraucht und ich will mich eigentlich nur noch hinsetzen und ein Eis. Und ganz viel eiskaltes Trinken. Leider stehen uns die allermeisten Höhenmeter nun noch bevor. Es gibt nochmal steile Anstiege, einer davon immerhin in Liland, wo es ein paar Kilometer einen Fahrradweg gibt. Der andet aber an einer Brücke. Die schieben wir lieber. Und sehen schon den nächsten langen, weiten Anstieg. Dort halten wir unten. Trinken. Nur noch kleine Reste da. Ich hebe mir einen Schluck für oben auf. Ich trete mechanisch, habe eigentlich gar keine Kraft mehr. Ich halte an jeder noch so kleinen Einbuchtung ein. Und wieder versucht uns jemand von der Straße zu drängen. Diesmal jemand mit SUV und angehängtem Wohnwagen. DAS SCHEISSDING SCHERT AUS!!! WEISST DU DAS, DU DOOFER HAMBURGER FAHRER???? 

Ein zweites Mal ist es jemandem völlig egal, ob da Radfahrer sich mit extremer Mühe eine Straße hochkämpfen. Ist es jemandem egal einen Unfall mit Personenschaden zu verursachen. Ist es jemandem egal, wenn andere fast von der Straße gedrängt werden. Panik kriegen. Ich möchte mal ganz höflich darauf hinweisen, dass man als Radfahrer ein GLEICHBERECHTIGTER Verkehrsteilnehmer ist. Jemand, der genau das gleiche RECHT hat auf einer Straße zu fahren. Ich müsste nicht mal netterweise nah an den Rand gepresst (wo übrigens viel mehr Spurrillen, Risse und Schlaglöcher sind) fahren. Ich könnte auch mittig auf meiner Spur fahren.

Die letzten Kilometer bis zur Brücke sind wirklich eine Tortur. Die Straßenlage sch*** wegen der Caravans. Kein Trinken mehr. Hitze. Überhaupt gar keine Kraft mehr. Total überm Limit. So hatte ich mir das Ende der Radreise nicht vorgestellt. Ich hatte eher gehofft, am Ende sagen zu können: "Joa - so fit geworden, dass auch 60km radelbar waren."


Endlich die Brücke, die nach Sortland rüber führt. Da muss ne Hurtigrute durchpassen und wer weiß, was für große Schiffe noch. Dementsprechend hoch ist die. Wir schieben auf dem sehr schmalen (Rad+Packtaschen+Hintern reicht gerade so, um nicht überzustehen) Randstreifen. Die Brücke ist hoch. Ich bin total erschöpft und mein Gehirn läuft über. Ich gucke den kompletten Brückenweg stoisch nach vorn auf den Weg. Lieber nicht über den Fjord raus, lieber nicht jetzt noch Höhenangst triggern.


L. bleibt oben stehen und fotografiert einmal über Hafen mit Kystvakt und Sortland. Dann sind wir am Ende der Brücke. Nur noch weniger hundert Meter bis zur Autovermietung. Letztes Mal, als ich hier war, war es mitten in der Nacht, wir schmissen den Schlüssel in die Box. Luden die Räder nochmal voll und rollerten müde bis zum Hurtigrutenkau. Diesmal andersrum. Es dauert gefühlt ewig, bis wir das Auto haben. Immerhin ein größeres, als geplant. D.h. weniger Stress, die Räder reinzuladen. Nochmal Kraft sammeln. Räder absatteln, Vorderräder rausnehmen. Alles im Auto verstauen. Zum Einkaufszentrum fahren. Vertrautes Gefühl. Im Laden schnell eine Kleinigkeit zu Essen und kalte Getränke gekauft. Ganz kurzer Abstecher zum Angelladen. L. ersetzt den verlorenen Köder. Der Verkäufer berichtet von mehr Chaos an Airports. Diesmal verlorenes Gepäck in Deutschland. Sollte einen Monat brauchen, bis es gefunden und geliefert wird. Hat mit langen Telefonaten dann "nur" eine Woche gedauert. Ich reguliere meine Erwartungen an "Die Familie kommt nach" auf: Sie kommen irgendwann Donnerstag oder Freitag hoffentlich zusammen mit ihrem Handgepäck an. Wir fahren zum Ferienhaus.


Dort freudiges Wiedersehen mit unseren Koffern. Juhu! Alles angekommen. wir sprechen kurz mit dem Vermieter, der gerade da ist. Dann endlich endlich duschen, irgendwas Essen (Reis, Kidneybohnen, Mais, dazu Brot).




Kurz bevor meine Beine keinen Schritt mehr tun können, gehen wir noch zum Strand / Hafen runter. Hier war es heute auch schön, Kinder haben am Strand gespielt und im Sand gemalt. Vom Steg aus angelt jemand.

Völlig erschöpft nach sooo einem langen Tag ins Bett.