Sonntag, 30. September 2018

Stø Dronningsruta (Tag 19)

Wir schlafen heute aus, während der Regen vom Wind gegen die Fenster gedrückt wird. Entspannungslevel: hoch!

Irgendwann verziehen sich die Wolken und wir verlassen unsere Betten, um zu frühstücken. Es klart immer mehr auf und da der Wetterbericht auch für den Rest des Tages vielversprechend aussieht, packen wir unsere Wanderausrüstung und fahren nach Stø.

Nach nicht ganz so vielen Fotostopps, aber dafür mit einer lustigen (äähmm...) Folge Logbuch: Netzpolitik erreichen wir den Parkplatz hinter dem Hafen. In der Podcastfolge geht es übrigens um Datenelche und wie Linus (oder Tim?) jetzt alle großen Durchbrüche vorhersagt. Da lachen wir noch.




Beschwingt wollen wir uns der Dronningsruta (dem Coastal Path Teil) noch einmal von der anderen Seite her widmen, da bewegt sich ein Felsen auf der Schäre vor uns. Take home message: Sich bewegende Felsen auf hübsch vorgelagerten Felsen kann bedeuten, dass man sehr schnell auf das Tele wechselt und zwar bevor der Felsen wegfliegt.

Eine halbe Stunde später haben wir zwar diesmal keine atemberaubende Fotos, sind uns dafür aber sehr sicher, dass sich mindestens drei Seeadler ganz in der Nähe befinden.





Wir beginnen den Wanderweg, der ziemlich matschig, aber nicht so steil ist. Zumindest ist er nicht sofort steil und die kleinen Anstiege sind gut zu bewältigen, wenn man denn einen halbwegs trockenen Weg findet. Das durchgeweichte Marschland steht an manchen Stellen mehr als knöcheltief voll Wasser und nicht immer ist auf den ersten (oder zweiten) Blick ersichtlich, wo man sicheren Tritt findet.




Wir folgen dem gut markierten Trampelpfad und gelangen recht schnell an eine wunderbare Badebucht, wir sind hier ganz allein und werden auf der Wanderung heute auch niemanden treffen. Dafür gleitet einer der Seeadler majestätisch an der Bergkette entlang, die den Strand einschließt. Von Westen zieht träge eine Regenwand heran, aber wir nehmen uns die Zeit für Fotos und machen eine kleine Mittagsrast. Lieber noch die Regenhosen übergezogen, bevor wir weitergehen.






Die Regenfront ist angekommen, doch das Wasser hat seine Macht schon verspielt. Es nieselt nur ein wenig und wir folgen weiter dem Trampelpfad. An einigen Stellen ist große Vorsicht geboten, weil es steil über große Felsen geht oder sehr glitschig ist.

Zwei Stunden lang wandern wir immer an der Küste entlang. Auf halber Strecke gibt es einen schönen Unterstand, der Schutz bietet. Aber die Regenwolken sind längst weg und die Sonne scheint ganz wunderbar. Sicher sind es 6-8°C und uns ist warm. Über unsere Köpfe fliegt ein weiterer (oder der selbe?) Seeadler, schaut auf uns herab, kümmert sich aber nicht um zwei einsame Wanderer an der Küste. Ohne Mühe bewegt er elegant seine Schwingen, nur gerade so viel, dass die Thermik ihn kräfteschonend weiter trägt.






Ich schaue aufs Meer, auf die Wiesen, das Marschland, die Berge, die Schären, die Wellen. Man kann sich hier nicht satt sehen an der Landschaft, den Farben, dem Wetter. Wir laufen den ganzen Trail entlang bis wir auf eine offene Marschfläche treffen, an deren Ende einige Häuser stehen. Dort hinten windet der Weg sich hoch auf den Bergkamm.

Das Wetter wäre gut genug, um den Weg bis nach Nyksund zu schaffen, aber von dort sind es knapp 30km zurück bis nach Stø. Wir kämen also nicht sinnvoll zurück zum Auto und die Park&Ride bzw. Bootstouren, werden natürlich nur während der Saison angeboten.

Wir stärken uns nochmal mit ein paar Keksen und wandern dann zurück. Es ist schon nach 16:00 und wir sollten vor Anbruch der Dunkelheit zurück sein. Recht flott kommen wir nun voran und haben am Strand Zeit die abendliche Stimmung einzufangen und nach Erklimmen des kleinen Hügels auch auf Stø hinabzublicken. Die Sonne bescheint die weit entfernte Bergkette und taucht das Meer davor in ein fast unwirkliches türkises Licht.







Es ist so schön hier, dass man es kaum fassen kann. Wir trinken unseren immer noch heißen Tee und fahren dann zurück. Diesmal wieder mit mehr Fotopausen, denn die untergehende Sonne und der fehlende Wind schaffen zauberhafte Bergpanoramen, die sich in den absolut stillen Seen spiegeln.






Wir fahren durch den Tunnel zurück in die Kommune Bø, inzwischen ist es zu dunkel, um zu fotografieren. Leider. Denn plötzlich stehen zwei Elche am Wegesrand und schauen auf die Straße. Wir wenden bei der nächsten Möglichkeit, fahren nochmal zurück, aber da drehen die Elche sich schon um und verschwinden erstaunlich gut getarnt im knorrigen Birkengestrüpp. Ich versuche ein Foto, aber es ist leider zu dunkel. Der Podcast "Elchtest für die Bundesregierung" und Linus' (Tims?) Wahrsagerei ist doch erstaunlich. Wir verzichten darauf, unsere Handys auf Empfang zu checken. Auch die nicht-sichtbaren Datenelche sind hier so zahlreich, dass man endlich mal die gesamte Bandbreite des LTE ausnutzen kann.

(Hier könnte man theoretisch den Elch entdecken)

Wir fahren zurück nach Ringstad, die Küche hat heute leider schon geschlossen. Nach einer kurzen Dusch- und Atempause kochen wir Reis und Möhrchen. Dazu gibt es Thunfisch (für mich in Öl, für L. eine scharfe hot thai chilli Dose). Gerade sind die Fotos von heute kopiert, da höre ich draußen jemanden hektisch die Treppe rauf rennen und bei uns klopfen.

Aurora!!!

Ohne Worte.











Samstag, 29. September 2018

Bø (Tag 18)

Im Dunkel der Nacht schlich das nächste Schlechtwettergebiet über die Vesterålen und empfing uns morgens mit Sturm und Regen. Es war zugezogen, grau in grau. Und so sollte es heute auch bleiben. Wir machen es uns also gemütlich mit Frühstück und Kaffee.

Eine kleine Runde raus wollen wir am späten Vormittag aber doch. Nur ein wenig die Kommune Bø erkunden, wegen des Wetters mit dem Auto. Wir fahren von Ringstad aus im Uhrzeigersinn einmal die F820 ab, zumindest bis L. plötzlich langsamer wird.

Da steht eine Kuh auf der Straße, wirkt unsicher und verwirrt und sucht einen Weg zurück auf die andere Seite des Zauns. Den es nicht gibt. Wir halten lieber beim nächsten Haus. Dort steht ein Auto mit geöffnetem Kofferraum und L. geht schnell hin und klingelt. Er gibt den Leuten dort Bescheid und sie kennen glücklicherweise die Besitzer der Kuhherde und kümmern sich.

Die Kuh hat inzwischen mit Hilfeblöken angefangen und scheucht die gesamte Herde laut muhend auf, die auf der anderen Seite des Zauns nun immer aufgeregter nach einem Weg suchen, das "verlorene Schäfchen" wieder zurückzuführen.

Wir rollen vorsichtig weiter und finden nur wenige Meter entfernt verlorene Schäfchen. Zwei. Wieder auf der falschen Seite des Zauns. Die Schafe sind jedoch sturer und schauen uns nur mißtrauisch an, als wir die Kirche von Bø fotografieren.
Und dann sind zwei Menschen auch schon nicht mehr das spannendste, denn die Schafweide grenzt an die Kuhweide und dort rennt die ganze Herde inzwischen hin und her und blökt und muht und weiß sich nicht zu helfen. Sicher werden die Einheimischen die Kuh bald wieder auf die Weide führen und die Herde vereinen.





Wir tuckern weiter langsam die Straße entlang und durchfahren Vinje und Gimstad. Dort entdecken wir einen schönen Strand und bleiben stehen. Wir laufen den Strand entlang, obwohl es nieselt, der Wind kalt und häßlich ist und die Wolken heute eine kompakte Masse über den gesamten Himmel bilden. Ich suche Muscheln, wir genießen das türkise Wasser, was über den feinen Sandstrand spült und versuchen einen ungewohnten Eindruck zu verarbeiten. Manches macht man sich ja gar nicht richtig klar.

Zum Beispiel, dass es ("für uns Deutsche") völlig ungewohnt ist, dass man türkises Meerwasser an feinem Sandstrand hat, dahinter eine Wiese und dann plötzlich erheben sich Hügel, Berge und auf den höchsten Gipfeln liegt Schnee. Alles auf einen Blick wahrzunehmen. Es ist schon wirklich sehr besonders hier.




Wir fahren weiter und biegen in Straume Richtung Skårvågen ab. Wieder ein neues Muster. Ein winzig kleiner Strand, daran anschließend ein halb gerodeter Kartoffelacker. (Leider kein Bild, weil dort jemand mühsam Kartoffeln aus der Erde zog).

Wir halten nochmal und an einem steinigen Küstenabschnitt sammele ich Seeigel-Panzer. Doch der Regen wird mehr und heftiger, der Wind lässt die Finger taub werden vor Kälte. Wir gehen nicht mehr um die Kurve, hinter der der nächste Strand liegt.





In Rise frischen wir unsere Lebensmittel auf, das Wetter bleibt grimmig und harsch. Perfekt, um im Appartement heiße Schokolade zu machen, Zimtschnecken zu essen und einen kleinen Mittagsschlaf zu halten. Danach schreibe ich Karten (8 von 11), wir suchen Adressen raus, machen ein paar Dehn- und Stützübungen und drömmeln gemütlich auf dem Sofa.

Ich koche (Nudelauflauf mit Champipilzen), freue mich über Fotos vom Mann (der unsere Kaffeevorräte auf Rømø auffrischt) und den Kindern (die im Tshirt an der holländischen Nordsee stehen) und beginne ein paar grobe Pläne für die Zeit nach den Herbstferien zu bedenken. Es ist... kompliziert. Und zwar noch komplizierter, als ich eigentlich dachte. Ich seufze ein bißchen.

Freitag, 28. September 2018

Nyksund (Tag 17)

Ich sag es schon mal vorweg: auch dieses Posting enthält zu viele Superlative. Aber so ist es nun mal, es ist einfach sehr sehr grandios hier und hinter jeder Kurve neu, anders, spektakulär, atemberaubend. Das Farbenspiel des Herbstes macht alles noch bunter, krasser, die Berge wirken oft wie gemalt, die Panoramen wie aus einer anderen Welt. Aber das ist ganz echt und an dieser Stelle möchte ich mal darauf hinweisen, dass die Fotos hier alle unbearbeitet genau so aus der Kamera kommen. Keine raw-Dateien, die noch angepasst wurden, keine Filter, kein Photoshop.

Nachdem mein Knie gestern ja heftig protestiert hat und ich nachts Mühe hatte irgendwie aus dem Bett zu krabbeln, heute also keine Radtour und möglichst wenig sonstiges. Dann war allerdings das Wetter super. Also: wenig Wolken, viel Sonne, kein Wind, mit Rauhreif überzogene Dächer und Wiesen.

Während ich die Kaffeemaschine anstelle, scheuche ich L. schnell raus, um den spiegelnden Fjord vor dem Haus zu fotografieren.






Nach dem Frühstück lassen wir es dann aber ganz ruhig angehen, ich kühle mein Knie, mache Dehnübungen und lese mit hochgelegtem Bein ein wenig das Internet leer, um herauszufinden, was wir heute unternehmen könnten.

Die Wahl fällt dann recht zügig auf Nyksund / Stø / Dronningsruta. Was findet man über den Königinnenweg so heraus? Tagestour, 15km Rundkurs, allerdings mit einem "einfachen" Coastal Path. Das klingt ja ganz so, als könnten wir dort ein bißchen an der Küste wandern, ohne das wehe Knie weiter zu überfordern. Denken wir so (stellen Sie sich hier einen Norweger mit rollenden Augen vor).

Wir fahren nach Osten hoch zum Pass, durch den Tunnel und zurück Richtung Sortland, biegen aber vorher nach Norden ab. Wir machen die üblichen 234840956 Fotostopps und ich fotografiere auch fleißig während der Fahrt. Ab und zu erwischt an da auch echte Fotoperlen und nicht nur unscharfe Verkehrsschilder. Wir durchfahren Myre und sind erstaut, dass es hier eine "richtige" Stadt mit allem drum und dran gibt. Dann biegen wir nochmal weiter nach Norden ab und erreichen über eine "romantische Küstenstraße" (aka viele Kurven, viele Höhenmeter rauf und runter, noch sehr viel mehr Kurven und das alles eng zwischen Küste und Bergwand gequetscht) den Parkplatz vor Nyksund.






Nyksund ein vormals aufgegebenes Fischerdorf, dann in den 1980ern und 1990ern wiederbelebt und heute Künstlerdorf und Touristen-Stop. Hier also wanderte die norwegische Königin entlang. Wir schauen uns die Informationstafel mit der eingezeichneten Route an und beschließen, dass die Höhenmeter machbar sein sollten, bevor man auf den tiefer gelegenen Küstenpfad kommt.

Munter marschieren wir los. Mein Knie "geht so". Bergauf etwas doof, auf gerader Strecke nach ein paar Metern okay. Natürlich geht es gleich recht steil hinauf bis zu einem See, dessen Ablauf über künstliche Stufen ins Meer geführt wird. Das Wetter ist herrlich, 1°C, Sonne, nur wenige Schäfchenwolken und keine Regenfront in Sicht. Wir folgen den rot markierten Steinen und stellen auf einem ausgedehnten Geröllfeld fest, dass es wohl doch nicht so einfach ist. Der Pfad, der schließlich zum Küstenwanderweg führen soll, führt zu aller erst mal extrem steil gerade auf einen Bergkamm zu. Nein, man erwandert nicht ein wenig steil den Kamm (vorzugsweise in Serpentinen),  um dann auf dem Kamm weiterzugehen. Eher stelle man sich einen Bergkamm vor, denn man von der steilen Seite aus gerade erklimmt, sich dann über den Kamm schwingt und auf der anderen Seite wieder runterklettert.

Da überall Schneereste liegen und wir wissen, dass das Wetter sehr schnell kippen kann, ist die Wanderung damit vom Tisch. Wir sehen jedoch eine reflektierende orange Jacke auf dem Berg direkt über Nyksund und obwohl es für das überlastete Knie wahrscheinlich nicht die beste Idee ist, entscheiden wir uns, dem Wanderer auf diesen Gipfel zu folgen. Wir hoffen, dass man von dort oben ein schönes Panaroma machen kann.

Es geht steil bergauf, teilweise ist es rutschig, schneeig oder es liegt loses Geröll herum. L. ist heute etwas mulmig zu Mute, aber da das Wetter so wunderbar ist und das Wandererpaar es vor uns ja auch geschafft hat, erklimmen wir gemeinsam den Gipfel. Ja, wir werden mit einer spektakulären Aussicht auf das Meer, die Schären, die schneebedeckten Berge und Nyksund belohnt. Für ein richtiges Panorama müsste man jedoch recht unsicher und sehr exponiert auf nassem Gras stehen. Das machen wir lieber nicht.






Wir knipsen trotzdem wie wild und gehen dann ein paar Meter runter, um an einem geschützten Platz Mittag zu essen. Es gibt belegtes Polarbrød und heißen Tee. Die Aussicht ist so wunderbar, dass man sich nicht satt sehen kann. Satt essen aber schon. Und nach einer Weile beginnen wir den Abstieg, sehr vorsichtig, es ist auf dem Weg nach unten immer noch etwas rutschiger. Außerdem protestiert die überlastete Kniesehne jetzt erst richtig. Ebenerdig gehen war ja okay, bergauf grenzwertig, aber runter geht gar nicht. Nun ja, ich kann ja schlecht auf dem Berg bleiben.

Unten wieder angekommen spazieren wir weiter nach Nyksund rein und finden sogar ein geöffnetes Café, wo wir uns mit Kaffee und Kuchen stärken. Wie uns das Schild am Ortseingang mitteilt, haben wir einen weiteren Breitengrad überschritten und sind nun auf 69°N 15°E. Gemütlich gehen wir zurück zum Auto, doch los fahren können wir nicht.





Ich habe auf den Felsen unten am Meer ein paar Kormorane entdeckt und L. wechselt schnell auf das Tele. Knips knips, knips - dann kommt ein weiterer Kormoran dazu und ich hoffe schon auf tolle "Gefieder trocknen" Bilder, als der Akku der Kamera aufgibt. Objektiv ruckzuck auf meine Kamera gemounted, dann hab ich versucht zu fotografieren, während L. seinen Akku wechselt. Der Kormoran war uns gnädig und wir haben ein paar schöne Bilder bekommen.




Mit Tankstopp in Myre machen wir uns auf den Rückweg nach Ringstad, nicht ohne weitere Male zum Fotografieren anzuhalten. Kurz überlegen wir, unten im Restaurant zu essen, aber das Menü bietet heute gegrillten Wal. Nein, nein. Ich möchte Wale beobachten und nicht essen. Während L. ein paar Arbeitsmails beantwortet (selbst und ständig), koche ich also Reis, schmeiße Salami dazu, brate Spiegeleier und knipse zwischendurch mal fix die "blaue Stunde" aus dem Fenster.