Freitag, 21. September 2018

Von Kvalnes nach Henningsvaer (Tag 9)

Nachdem wir gestern Abend mit doch sehr gemischten Gefühlen ob des aufziehenden Sturms ins Bett gegangen sind, stehen wir heute lieber früh auf.

Unser Vermieter war nochmal da und reichte uns die aktuellen Busfahrzeiten rein. So nett! Er empfahl uns auch, so früh wie möglich aufzubrechen, da der Sturm über den Tag an Kraft gewinnen sollte und die Möglichkeit bestünde, dass die Brücken nach Henningsvaer geschlossen werden.

Nun denn, um 8:50 hatten wie gefrühstückt, gepackt, beladen und waren bereit loszufahren. Über dem Meer blitzte sogar etwas blauer Himmel durch, doch von Süden sahen wir schon graue Regenwolken herannahen. Und zwar schnell.

Kilometer 1 - bewältigen wir im Trockenen. Den Wind, der vorerst ziemlich von vorne kommt bläst noch nicht allzu stark, aber merkbar. Bei jedem kleinen Anstieg ist der erste Gang mein bester Freund.

Ab Kilometer 2 kommt der inzwischen gewohnte Regen dazu. Solange keine Böen dazukommen, stört das wenig. Aber Regentropfen, die von einer Böe vor sich hergetrieben werden, klatschen hart die Hagel auf die Klamotten. Der erste lange Anstieg kommt und ich keuche. Es ist so viel anstrengender sich gegen das Wetter zu stemmen.

Stoisch radele ich. Kilometer um Kilometer, ganz langsam. Ab und zu führt der Straßenverlauf dazu, dass man Seitenwinde abkriegt, die einen entweder auf die Straße pusten wollen oder in den Graben schieben. Noch komme ich aber dagegen an.

Kilometer 7 - wir erreichen die erste Bushaltestelle "Vonheim", dort mündet die kleine Straße auch wieder auf die E10. Das Wetter "geht so" - der Wind ist stark, aber händelbar. Der Regen nicht dauerhaft, da die abregnenden Wolken so schnell weiter getrieben werden. Zwei Stunden Wartezeit bis zum Bus.

Wir entscheiden vorerst weiterzuradeln, so lange es geht. Die nächste Bushaltestelle ist fünf Kilometer entfernt. Dort entscheiden wir neu. Dieses Spiel spielen wir letztendlich fast 24 km lang. Streckenweise ist es fast windstill, weil man so geschützt fährt. Dann wieder kriegen wir heftige Böen ab oder müssen uns gegen strammen Wind ankämpfen, der einem die Luft zum Atmen davon trägt.

An der Kreuzung zur Halbinsel Gimsøymyrene ist Schluss. Wir erreichen die Bushaltestelle gerade noch, bevor eine Wasserwand mit starken und sehr schnellen Winden uns voll trifft. Das Wort Regen drückt auch nicht wirklich aus, was da aus den dunkelgrauen Wolken fällt. Es ist wirklich eher eine dichte Wasserwand, die mit hoher Geschwindigkeit nach Norden gedrückt wird. Wir suchen Schutz im Bushäuschen, ziehen eine Lage wärmende Kleidung über und stärken uns mit Müsliriegeln. Immer schön in Bewegung bleiben, damit man nicht kalt wird. L. geht gerne ein paar Schritte, denn unterhalb der Brücke stehen ein paar hartgesottene Finnen mit ihren Wohnmobilen und angeln.

Der Bus kommt und all unsere Befürchtungen, ob der Fahrradtransport klappt, werden mit der nächsten Böe weggepustet. Die Busse hier sind von der Sorte "Reisebus" und haben große Transportfächer. Es ist absolut kein Problem Gepäck und Räder zu befördern und kostet nicht einmal was extra. Die nächsten 14 km bis Rørvik wärmen wir uns auf. Kurz nach der Abfahrt passieren wir eine sehr lange, hohe Brücke und sind froh, dass wir die nicht abradeln müssen. Statt dessen schauen wir auf das Meer hinaus über dem ein sehr großer Regenbogen steht. Wunderschön!

In Rørvik entscheiden wir uns neu. Es sind noch etwa acht Kilometer bis Henningsvaer und zwei Brücken, die beide nicht mehr lang sind. Der Wind ist deutlich merkbar, aber wir fahren auf der momentan geschützten Westseite der Bergketten nach Süden. Wir radeln das letzte Stück also wieder.
Durch die geschützte Lage der Straße kommen wir sogar recht flott voran, auch die erste Brücke klappt noch. Kurz davor hält ein Niederländer an, macht die Scheibe runter und ruft "Super!" zu uns rüber. Das motiviert! Die zweite Brücke liegt dann jedoch so exponiert und deutlich höher, dass ich gegen den Wind nicht mehr anstrampeln kann und schiebe.

Wieder aufgesattelt rollen wir auch schon in Henningsvaer ein. Ein malerischer kleiner Ort, ebenso wie die zuführende Brücke sehr exponiert auf vorgelagerten Inseln vor Austvagøy liegend. Unser Hotel liegt gleich am Ortseingang. Wir checken ein und sind glücklich. Wir haben uns heute der Natur gestellt und eine lange Strecke mit dem Rad geschafft. Als es unvernünftig geworden werde, weiterzufahren, nahmen wir den Bus. Und nun sitzen wir in der großzügigen und gemütlichen Aufenthaltslobby des Hotels und genießen warmen Kaffee und frische Waffeln, die man sich hier kostenlos selbst zubereiten kann.

Die Erschöpfung schlägt dann doch zu Buche. Ich will mich "nur ganz kurz" mal ausruhen und schlafe ein. Danach raffen wir uns aber auf, packen uns warm und dicht ein und gehen raus in den Sturm. Es stürmt heftig, jetzt möchte ich nicht mehr auf dem Fahrrad sein. Aber zwischen den Holzhäusern oder geschützt von einer großen steinernen Mauer kann man das Wetter eigentlich genießen. Große Wellen klatschen gegen die Felsen, Gischt spritzt uns salzig ins Gesicht, der Wind zerrt an unserer Kleidung.








Abends gönnen wir uns das wirklich exzellente Essen im Restaurant und versuchen beim Einschlafen ganz ganz schnell den Preis zu vergessen, den wir auf die Hotelrechnung dafür haben setzen lassen. Aber lecker war es allemal!