Sonntag, 23. September 2018

Bye bye Lofoten (Tag 11)

Der nächste Morgen erwartet uns mit - Regen! Ich schlafe noch mal ein, dann noch einmal. Dann klingelt irgendwann der Wecker.

Immerhin regnet es beim Aufstehen gerade nicht. Wir machen das übliche Frühstück (Mehrkornflocken mit Milch, für L. zusätzlich mit Kakao, Kaffee für uns beide). Dann spulen wir die Einpack-Aufsattel-Routine ab, die heute dadurch erschwert wird, dass wir a) mein altes Paar Schuhe irgendwo verstauen müssen und b) die Räder auf den rutschigen Holzplanken erstmal zu einem Ort schieben müssen, wo sie überhaupt beladen werden können.

Dann geht es los, der letzte Teil unserer Lofoten-Biketour. Wir haben heute auch die längste Strecke vor uns, es sind etwa 35km bis zur Fähre in Fiskebøl, daran anschließend weitere 15km von Melbu nach Stokmarknes.

Als ob das Wetter sich ein wenig mit uns versöhnen möchte, ist es inzwischen einigermaßen aufgeklart, teilweise schaut die Sonne durch die Wolken, der Wind ist abgeflaut. Ein angenehmer, aber auch wehmütiger Abschied, denn dieses Wetter hätten wir gerne ein paar Tage länger gehabt. Man darf sich nicht täuschen lassen. Ich habe zig Blogs gelesen, Wettertrends, alte Wetterstatistiken. Überall traf man auf die einhellige Meinung: Golfstrom, daher nicht zu kalt. Schnell wechselndes Wetter, d.h. man muss jederzeit auf alles vorbereitet sein. Vorteil: auch schlechtes Wetter zieht schnell weiter, es ist praktisch nie so, dass es mehrere Tage am Stück durchregnet. Das isländische Sprichwort sollte auch hier gelten: "Wenn dir das Wetter nicht gefällt, warte einfach fünf Minuten."

Tja. Wir hatten jetzt zwölf Tage lang Regen, davon zwei Tage richtig dicken Sturm mit dazwischengeschummelten Orkanböen. Es gab einige wenige Tage, an denen es nicht dauerhaft regnete, aber geregnet hat es irgendwann doch immer. Überwiegend war es nass, grau und noch grauer.

Heute radeln wir also bei "schönem" Wetter. Das ist ganz ungewohnt. Trotzdem mag ich noch vor dem Airport Svolvaers aufgeben. Die ständigen Steigungen sind einfach nur noch ätzend, mein Knie streikt. Emotionskontrolle setzt ein. Haha, nennt man das "Kontrolle", wenn aus Schmerz Verzweiflung wird, daraus dann Wut und die wiederum den Ehrgeiz entfacht?


Jedenfalls radeln wir weiter, die 14km Busfahrt wegen des Wetters waren zu dem Zeitpunkt absolut vernünftig, aber nun will ich sagen können: Ich bin die Lofoten abgeradelt. Weiter, immer weiter geht es nun nach Norden.

Nach 15 Kilometern ermüdenden hügelauf und hügelab erreichen wir den Picknickplatz mit einer grandiosen Aussicht über den Austnesfjord. Es ist aufgeklart, nur wenige Wolkenbänke hängen verheddert an den Bergspitzen. Wir treffen auf eine niederländische Mutter mit Teenietochter, mit denen wir kurz smalltalken. Dann essen wir Knäckebrot, genießen Sonne, Aussicht und Landschaft und ruhen aus.





Runter nach Vestpollen, weiter immer weiter radeln wir gen Norden, auch wenn wir alle zwei, drei Kilometer stoppen müssen, damit mein Knie kurz entlastet wird. Es nervt. Kilometer 20 - wir schauen kurz einer Schafherde zu, die mit den Schäfern die Straße kreuzt. Kilometer 25 - wir halten an einer idyllischen Schafweide und ein allzu neugieriges kleines Schaf hopst zwischen den Zaunleinen durch, um zu erkunden, ob L. etwas leckeres dabei hat. Dann hopst es zum Glück wieder zurück. Kilometer 30 - wir halten vor einer länger gestreckten Steigung, atmen durch, ich verschlinge einen Müsliriegel. Hinter uns zieht bedrohlich die nächste Schlechtwetterfront auf, aber noch sind wir schneller, als die sich eher schleppend dahinwälzenden Wolken.

Die E10 führt durch einen kurzen Tunnel und dann sehen wir die Schilder. Rechts ab geht es nach Narvik. Den ganzen Tag schon zeigten die Schilder nach Narvik und ich weiß jetzt, dass unser kurzentschlossener Plan gut ist, wichtig ist. Wir rollen um die letzte Kurve vor Fiskebøl und sehen die Fähre ihr gefräßiges Bug (Heck? wer weiß das bei Fähren schon) öffnen. Gleichzeitig mit der Fähre legen wir an und kaufen ein Ticket für die Überfahrt.

Ein paar letzte Fotos, ein hastig gegessenes Brötchen, während die Lofoten hinter uns zurückbleiben. Was für eine grandiose Inselkette, 68° nördlicher Breite, das sind zwei Grad über dem Polarkreis. Angewärmt vom Golfstrom, bewohnt seit Jahrtausenden von Wikingern, die dem Land und vor allem dem Meer hier abragen, was sie zum Leben brauchten. Die Bergketten schroff, steil, urtümlich. Während die Alpen majestätisch über die Mitte Europas ragen, als beherrschten sie ganz selbstverständlich ihre Welt, so wirken die Lofotenberge, als müssten sie sich jeden Tag gewaltsam, kraftvoll und unmissverständlich gegen das Meer behaupten. Ein ewiger Kampf, dessen Ausgang ungewiss bleibt, vorerst.



Auf der Fähre schließlich holt uns unser alter Bekannter ein. Als wir in Melbu vom Hafen rollen, regnet es. Macht uns in diesem Fall aber nichts, denn wir kehren in einem kleinen Café ein und stärken uns mit Waffeln mit braunem Käse und Marmelade (interessante Kombination) und Kaffee. Nebenbei entscheiden wir uns endgültig dafür heute die Kilometer hoch nach Stormarknes zu bewältigen und buchen das dortige Hotel. Dann stellen wir fest, dass unsere ganze Planung einen Tag zu weit hinten liegt und wir gewinnen ad hoc einen weiteren Tag. Das sagt natürlich einerseits viel über unser Entspannungslevel aus, andererseits auch über unsere planerischen Fähigkeiten.

Hadseløya erweist sich als sehr viel sanfter, als die Lofoten. Die Berge sind runder, nicht schroff. Die Bergrücken bewachsen, die Hügel kleiner und weniger anstrengend zu befahren. Trotz des inzwischen dauerhaft nervig-schmerzenden Knies kommen wir gut voran und checken eine dreiviertel Stunde nach Abfahrt in Melbu in Stokmarknes im Hotel ein. Das hiesige Hurtigrutenmuseum mit der draußen liegenden FINNMARKEN ist nicht zu übersehen und wir sind erfreulich früh da, so dass wir noch ein paar Einkäufe erledigen können. So haben wir zum Abendbrot heute Äpfel und Polarbrød mit Schinken und Käse belegt. Unnötig zu erwähnen, dass man über die hohe Brücke muss, um zum Hotel zu gelangen - und wieder zurück, um den Einkaufsladen zu erreichen.

Wir überlegen, was wir mit dem gewonnenen Tag anfangen und haben drei Möglichkeiten zur Auswahl. 1) Trotzdem nach Sortland morgen weiterfahren und dort eine Nacht bleiben. Vorteil: Danach ist das Radfahren erstmal passé und mein Knie wird länger entspannt. 2) Nach Sortland fahren und das Auto einen Tag früher abholen, um nach Narvik zu fahren um dort einen Tag mehr zu haben. Vorteil: mehr Zeit in Narvik / Riksgränsen. 3) Einen Pausetag hier in Stokmarknes einlegen.

Option 2 wäre unsere erste Wahl, leider macht uns die Autovermietung einen Strich durch die Rechnung, da sie ausgebucht sind. Wir atmen einmal tief durch, checken Hotelpreise in Sortland und entscheiden uns daraufhin eine weitere Nacht hier in Stokmarknes zu bleiben und den Sonntag einfach viel zu entspannen.