Montag, 23. März 2020

Corontäne Woche 1

Ich klaue das wunderbare Wort bei Frau Rabe.

13.03. Der Kollege und ich planen das Homeoffice, unser offizieller Vorgesetzter hat einen Drei-Stufen-Plan für unsere Institutsetage entwickelt. Offizielle Mails von ganz oben trudeln auch ein. Da nach dem Wasserschaden unser Labor eh geschlossen ist, können wir problemlos ins Homeoffice wechseln. Wir beginnen, das Labor für die Handwerker, die hoffentlich trotzdem handwerken können, vorzubereiten.


14.04. Ich packe Mann und Kinder ins Auto und wir fahren ins Institut. Die Kinder haben da etwas zum Spielen und sind beschäftigt. Mann, Kollege und ich beginnen damit Christo nachzueifern. Unser Labor hat an drei Stellen offenen Fußboden. Ganz früher (tm) gab es hier mal ein Experiment mit großen Kolonnen über zwei Etagen. Die Löcher wurden die richtig geschlossen, da liegt nur Gitterboden. Nach dem Wasserschaden soll das nun behoben werden (ganz plötzlich nach 30 Jahren, die das Gebäudemanagement sehr wohl wusste, dass diese Löcher existieren, muss das nun JETZT SOFORT erledigt werden. Tja nun.) Handwerker machen Staub. Daher müssen wir alles, was im Labor verbleibt in Folie hüllen. Wir räumen also raus, was raus kann. Und bewaffnen uns dann mit dicker Malerfolie und Ducttape.



Das Ergebnis sah dann so aus. Ich hoffe sehr, dass das alles gut klappt, denn wir werden nicht da sein, wenn die Handwerker da sind.

Nach der Arbeit, das Vergnügen. Wir holen uns schnell Leberkäsebrötchen auf die Hand und machen dann mit den Kindern eine große Waldrunde. Dort wo die Kinder (mit meinem Patenkind und Schwester) letztes Jahr ihre müden Füße im Tümpel gekühlt haben, beobachten wir dieses Mal Molche. Tolles Wetter, Frühling überall.

15.03. Normaler Sonntag, schöne Radlrunde draußen, der Minimann wird immer schneller auf dem nächstgrößeren Rad. Auf- und Absteigen und Anfahren üben wir noch. Abends werden wir offiziell ab sofort ins Homeoffice geschickt. Der Kollege wird am Montag nochmal kurz vorbeifahren und die restlichen Sachen, die wir brauchen abholen und den Kühlschrank ausräumen. Der Lehrbetrieb wird eingestellt, der Forschungsbetrieb so weit, wie es geht. Da der Mann in der Verwaltung eines Pflegeheims arbeitet und deshalb auch weiterhin arbeiten geht, mache ich einen groben Plan für die Zeit mit Homeoffice, Homeschooling, Homebespaßing.

16.03. Die Kinder und ich starten in die erste Corontänewoche. Wir schauen gemeinsam die Schulsachen durch, machen eine Liste mit Dingen, die wir wiederholen werden, sammeln Arbeitsmaterialien zusammen. Wir beginnen dann mit Mathe, das ist sogar ganz spaßig. Wir basteln und ein Tangramm Spiel und legen Tiere. Für den Minimann habe ich ein dickes Vorschulheft gekauft. Er probt den Aufstand, wütet und hat keine Lust. Der Große ist sehr motiviert und hat begriffen, dass die Schulpflicht nicht ausgesetzt ist. Merken wir uns diesen Satz für später. Nachmittags Toben im Garten. Ich klatsche mit dem Mann ab und fahre dann zu einer Freundin. Dort gibt es Probleme mit dem Internet und das geht ja gar nicht. Ja, auch in Wohnungen kann man Abstand halten. Leider kommen wir nur bis zum Punkt "Problemaufnahme". Ich bestelle zu Hause zwei Powerline Geräte, sie bestellt einen anderen Router. Wir verabreden und für Ende der Woche zur Problembehebung.

17.03. Tilt. Migräne. Irgendwas passiert an diesem Tag. Aber ich weiß nicht mehr was. Der Mann kommt früher nach Hause, damit ich mich samt Triptan ins Bett legen kann. Der Rest der Familie geht wandern. Ich verpasse das leider.




18.03. Ich bin wieder unter den Lebenden. Heute setzen wir Schulkram ein bißchen aus und beginnen, das Kinderzimmer aufzuräumen und auszusortieren. Ich stelle ein paar Sachen bei Kleinanzeigen ein. Wir gucken die Maus, die ab heute jeden Tag ausgestrahlt wird. Danach: schönes Wetter nutzen und raus. Die Kinder spielen im Garten. Ich grabe ein bißchen um, schneide altes Gestrüpp weg. Nachmittags schlafe ich einfach ein, da ist der Mann dann zum Glück da und übernimmt. Die Männer machen eine weitere Wandertour, damit ich auch das Homeoffice ernsthaft verfolgen kann. So ein Paper tippt sich nicht mal nebenbei.





19.03. Wir verbringen den Vormittag mit Online-Lernen. Emailaccount einrichten, die Schulplattform anschauen und die ersten Dokumente runterladen. Einen 10-Finger-Tippkurs buchen und Scratch installieren. Der Große hat ein Maus-Scratch-Buch bekommen. Guter Einstieg ins Programmieren. Trotzdem lässt die Lust deutlich nach. Die Motivation hinkt, der Minimann rebelliert, als wäre er schon ein Teenie. Es ist anstrengend. Sehr anstrengend. Der Große weiß nicht mehr, wie man Punkte in ein Koordinatensystem einträgt. Und gerade heute kommt der Mann spät nach Hause. Außerdem läuft Minecraft nicht, es gibt Probleme. Ich organisiere im Hintergrund, dass am Wochenende der Server umgezogen wird.  Ich brauche ein bißchen Pause und möchte Yoga machen. Das Video geht 25 Minuten. ich schicke die Kinder zum Austoben raus und erbitte mir eine ruhige Yogarunde.

Minute 9 des Videos. Der große kommt heulend rein, die Kinder haben angefangen auf dem Trampolin zu streiten. Toll. Ich möchte ein bißchen ausrasten.

Die Kinder spielen drinnen. Ich mache das Video zu Ende. Von Ruhe kann man aber leider nicht sprechen.

Ich update alle Rechner auf den neuesten Stand. Alles zieht sich hin wie Kaugummi. Ich räume mit dem Großen seinen alten Schreibtisch leer und wir schleppen ihn ins Wohnzimmer. Dort bauen wir übersichtlich die Lernunterlagen auf.



Ich schicke die Kinder nochmal raus, während ich Milchreis koche. Die Kinder wollen gar nichts, außer am Smartphone hängen. Das haben sie aber schon morgens gemacht. Ich habe kaum den Reis in die Milch geschüttet, kommt der Große heulen rein. Diesmal ist irgendwas beim Saltoüben schief gegangen, er hat Nasenbluten. Ich versorge ihn, rühre den Milchreis, der Minimann hält dem Großen ein Kühlkissen in den Nacken. Nach dem Essen kapituliere ich und wir schauen Naturdokus und die Maus auf dem Sofa. Was für ein Tag.


20.03. Freitag. Fast Wochenende. Schuleinheit. Des Großen Gehirn ist so weich, dass er versucht mir glaubhaft zu versichern, dass er unter keinen Umständen wüsste was eine Summe ist. Der Minimann hat sich vom Wüten und Rebellieren auf "Bauchschmerzen" verlegt und bleibt auf dem Sofa. Es ist nicht ganz klar, welcher Natur diese Bauchschmerzen sind. Nachdem ich mich mit dem Großen durch einen Mathezettel gequält habe, machen wir eine Runde Sport. Die Trainer von Alba Berlin (?) bieten bei Youtube Sportstunden an. Wir beginnen mit der KiTa-Runde. Das ist echt schön gemacht, die Trainer geben sich Mühe, das kindgerecht aufzubereiten. Der Minimann hat nach einer Viertelstunde keine Lust mehr, der Große macht nicht richtig mit und hampelt nur rum. Toll. Ich erkläre den Kindern mit aller Restgeduld, wieso die Situation ist, wie sie ist. Wieso wir Rücksicht nehmen und zu Hause bleiben, wieso wir trotzdem Lernen, Sport machen, eine Alltagsstruktur aufrechterhalten.

Zwischendurch Telefonat mit dem besten Freund. Ihm fehlt die Uni. Mir auch. Er hat die Woche ganz viele Kundentermine (viele zum Glück remote), weil natürlich alle jetzt und sofort die Infrastruktur für Homeoffice brauchen. Außerdem hat er einen Hexenschuss. Wir sind alle etwas deprimiert und verzweifelt. Ich lade ihn also hierher ein. Krankenlager. Als er mittags rumkommt und reinhumpelt, essen wir erstmal Milchreisreste. Dann schläft der Minimann auf dem Sofa ein, der beste Freund ebenfalls mit Heizkissen. Zum allerersten Mal in dieser Woche kehrt etwas Ruhe ein. Nachmittags dann übernimmt der Mann die Kinder. Ich gehe mit dem besten Freund eine Runde spazieren. Das Wetter ist kalt, grau und häßlich. Wir gehen vorsichtig. Leider hilft bei Hexenschuss am Ende doch nur Bewegung.

Gemeinsames Essen, ein paar Dehnübungen. Ich bin so müde. Die Kinder gehen samt des neuen Haferhorde-Teils ins Bett. Wir sacken auf dem Sofa zusammen und streiten diskutieren lautstark, wie die Woche lief und warum was nicht klappt und warum das in der kommenden Woche anders laufen muss und wieso alles doof ist. Es ist schwierig - für uns alle.

21.03. Samstag. Wochenende! Endlich! Keine non-stop Kinderbespaßung durch mich. Ich bin da einfach nicht für gemacht. Nach dem Frühstück fahre ich zur Freundin und verbringe dann drei Stunden damit einen neuen Router einzurichten, die Powerline Geräte anzuschließen, das Telekom-Medien-Gerät ins Internet zu hängen. Wir müssen ein Loch durch die Wand vergrößern, LAN-Kabel verlegen und alle Geräte ins WLan bringen. Wir stellen fest: die Anzahl an mobilen Geräten wird immer größer. Am Ende rafft sogar der Drucker, dass es ein neues WLan gibt. Und die Telekom streamt brav das TV-Programm. Juhu. Als IT-Guy unterwegs.

Zuhause hat der Mann mit einem Freund erfolgreich den Minecraftserver umgezogen. Alle happy, die Kinder hocken auf der alten-neuen Minecraftwelt und angeln.

Zurück zu Hause schlafe ich auf dem Sofa ein. Später kochen wir vier alle gemeinsam. Auch das: eine ganz neue Erfahrung. Wir essen Zucchini-Möhren Rösti (aus dem Maus Kochbuch) mit Tzaziki (man kann fehlende Gurke gut durch Feta ersetzen) und Obstsalat. Abends schauen wir einen Film. Ich bin komplett erschöpft.

22.03. Sonntag. Ich bin so müde. Nach dem Frühstück gammeln die Kinder eine Runde, der Mann ist nochmal mit der Minecraftwelt beschäftigt. Ich putze zwei Stunden lang Küche und Bad gründlich. Danach blitzt es überall und ich könnte einschlafen. Telefoniere mit dem besten Freund. Danach ziehen wir uns alle warm an, es ist schweinekalt und hat in der Nacht gefroren. Der Mann und ich planen Beete im Garten. Ich male einen Plan. Der Mann schlägt vor, dass ich zum Entspannen zum besten Freund fahre. Ich bin doch aber so müde.

Ich raffe mich trotzdem auf, fahre erst Gas und dann Benzin tanken. Der beste Freund hat derweil in seiner minikleinen Wohnung genug Platz für seine NäMa gemacht. Seit ungefähr - Ewigkeiten - setzen wir uns hin und nähen.



Die Sporttasche (El Grande von Farbenmix) ist schon seit... ewig (irgendwann 2018, bevor der beste Freund krank wurde) zugeschnitten. Wir nähen konzentriert und in Ruhe. Dann ist es so spät, dass die Spaziergänger am Rehgatter zum Abendbrot weg sein sollten. Wir machen eine kurze Laufrunde. Dann fahre ich nach Hause. Es ist etwas gespenstisch. Sonst lohnt es sich auf der Landstraße fast nie das Fernlicht anzuschalten. Heute fahre ich fast die ganze Strecke mit Fernlicht. Mir kommen zwei RTWs entgegen. Zuhause Sofa, Heizkissen, Bett.

Ich überlege mir, wie die neue Woche werden soll. Ich hoffe auf ein bißchen mehr Input von der Schule. Ich hoffe auf einen Gewöhnungsfaktor der Kinder (und mir). Und das die Tage einfach ein bißchen runder laufen.