Mittwoch, 3. Oktober 2018

Elche, Elche! (Tag 22)

Der heutige Tag beginnt mit einer kurzen Rückschau von gestern Abend. Kp-Wert 4, wenig Wolken. Juhu!




(mit "Großer Wagen")

Irgendwann heute morgen kann ich nicht mehr liegen und stehe auf. Bereite das Frühstück schon mal vor, L. scheint noch tief und fest zu schlafen, da hört man nix. Aber draußen blitzt die Sonne zwischen den Wolken durch und das Licht ist fantastisch. Also mache ich eine kleine morgendliche Spazierrunde.






Später, nach dem Frühstück und etwas seufzen und murren, weil unsere Zeit hier sich dem Ende neigt, gehen wir runter in den Restaurantraum und fragen nochmal nach "must see" Wanderungen. Das zahlt sich aus. Wir fahren mit dem Auto wie geplant hoch nach Nykvåg und Hovden. Nach drei Kurven zieht es bedrohlich dunkel zu, aber wir sind ja für alles gewappnet.



Am Strand von Nykvåg angekommen, parken wir und gehen nicht runter zum Strand, sondern folgen einem Trampelpfad über das Geröllfeld den Hügel hinauf. Knapp zwanzig Minuten später werden wir mit grandioser Aussicht auf die unter uns liegende Bucht, Hovden, die Schären und das Meer belohnt. Ich traue mich über einen ganz schmalen Pfad auf einen Felsvorsprung und L. hält meine heldenhafte Pose auf Fotos fest, ich fotografiere zurück.




Dann fahren wir weiter, ich lasse die Kamera hinten im Rucksack. "Sind ja nur 6km", denke ich. Kurz darauf rufe ich: "Elch! Elch!". Ein Elch, direkt an der Straße zwischen Nykvåg und Hovden und diesmal haben wir Glück. Es ist helllichter Tag und nur 100m hinter dem Elch ist eine kleine Einbuchtung, bei der wir halten können.








Nachdem der Elch von dannen gezogen ist, umrunden wir den letzten Hügel vor Hovden, parken und spazieren dann ein paar Hundert Meter durch Dorf und Graslandschaft, bis das Rauschen der Wellen nur noch eine kleine Kuppe entfernt ist. Der nächste spektakuläre Strand, gegenüber hohe Berge mit Resten von Schnee bepudert, große reinrollende Wellen, ein paar Schären bevor die Bucht ins offene Meer übergeht.

Wir kochen Reis und wärmen uns auf. Obwohl es nicht regnet und nicht stark windig ist, ist es kalt (1°C) und bewölkt. Keine wärmende Sonne, die es schafft, sich durch die Wolken zu mogeln. Dafür entdecken wir ein kreisendes Seeadlerpaar am Berg hinter uns. Irgendwo müssen sie dort auch ihr Nest haben, denn immer wieder fliegen sie auf die schroffen Felsen zu und verschwinden dort. Ich suche mit dem Tele die Bergwand so gut es geht ab, aber es gibt zu viele Einschnitte, dunkle Ecken und Vorsprünge.




(Die Adler waren selbst für das Teleobjektiv sehr weit weg)

Ich versuche mein Gehirn zu überzeugen, dass das hier alles echt und ganz real ist. Hier ist nicht "so viel Landschaft", sondern hier sind so viele Landschaften auf engstem Raum, dass ich es gar nicht richtig zu fassen bekomme.
Dafür bin ich heute offensichtlich in heldenhafter Laune. Obwohl es immer kühler geworden ist, weil der Wind auffrischt und Nieselregen einsetzt, ziehe ich Schuhe und Socken aus und laufe über den Strand ins Wasser. Es ist einfach zu schön, zu wunderbar, zu nördlich, zu karibisch, zu strandig, um hier nicht wenigstens einmal mit den Füßen im Meer zu baden. Überrascht stelle ich fest, dass der Temperaturunterschied zwischen barfuß auf Sand und mit den Füßen im Meer gar nicht so groß ist (das Internet sagt: 1°C Lufttemperatur, 8-10°C Wassertemperatur). Schnell, schnell ein paar Fotos und ein kurzes Video, dann wollen meine Zehen aber doch erfrieren und ich trockne mich ab und schlüpfe zurück in zwei Paar Socken und meine Schuhe. Jetzt aber fix zurück zum Auto und die Heizung hochgedreht.






(Obenrum vier warme Lagen, unten rum barfuß.)

"Elche! Elche!" - diesmal ruft L. (nagut, eigentlich ruft er: "Sieht das da drüben aus wie Elche?"). Wir entdecke hinter einem Zaun (bei dem wir uns nicht sicher ist, ob er Elche einzäunt oder Elche auszäunt) eine Elchmutter mit zwei Jungtieren. Da müssen meine kalten Zehen eben warten.




Zurück zum Auto, Heizung hoch und losgefahren. Wir rollen gerade vom Parkplatz, da entdecke ich ruhig und scheinbar ohne vom Wind überhaupt tangiert zu werden (im Gegensatz zu einer Schar herumpurzelnder Spatzen) den Seeadler über uns.

Zurück in der Ferienwohnung entspannen wir ein wenig, werden immer wehmütiger, denn endlich, nach so langer Zeit merke ich, dass auch ich noch richtig entspannen kann, dass Ruhe und Frieden noch möglich sein können. Zum Abendessen brauche ich so viele Reste, wie möglich auf. Wir checken die Hurtigruten Abfahrzeiten für übermorgen (Ankunft Sortland 2:45, Abfahrt 3:00 ui) und lassen den Abend gemütlich auf dem Sofa ausklingen.