Mittwoch, 16. Mai 2018

Zuhause --> Cuxhaven (Etappe 2)

Etappe 2 von Hemmingen über Nienburg nach Verden

Nach leckerem Frühstück ziehen wir heute unsere Regenklamotten an. Wie auch letztes Jahr regnet es in Hannover, grau-düstere Wolken ziehen über uns hinweg. Nunja, dafür gibt es passende Kleidung und wir kennen es ja schon.

Trotzdem streckt es sich ziemlich. Nach 25 km machen wir kurz hinter Garbsen die erste Pause. Dieses Mal fahren wir keinen Schwenker über das Steinhuder Meer, sondern wollten eigentlichen die kürzeste Route nach Nienburg nehmen. Haben wir? Wer weiß das schon.

Immerhin wird das Wetter mit jedem zurückgelegten Kilometer besser. Trotzdem kämpfe ich mit diesen seltsamen kaum-vorhandenen Steigungen. Ehe man bemerkt, dass es eine Steigung ist, hat man sich schon angestrengt und das gibt es nie den passenden Gang für das, was man in der norddeutschen Tiefebene eben so Steigung nennt. Und richtiges Gefälle gibt es dementsprechend auch nicht. Mühsam. Sehr sehr mühsam. Wir machen einige kurze Trinkpausen. Sitzen ist auch sehr mühsam, im Gegensatz zur letzten Fahrt bin ich doch wund gescheuert und teile das Schicksal vieler Windelkinder (und die passende Popocreme!).

Der nächste wirkliche Durchhänger nachdem ich mich lange gegen den Wind gestemmt habe, folgt wieder zwischen Kilometer 40 und 50. Wir haben Neustadt hinter uns gelassen und ich habe auf meiner Bucketlist jetzt "Mountainbiking" abgehakt. Ich wusste zwar gar nicht, dass es drauf stand, aber der Radweg zwischen Neustadt und Empede ist in einem so desaströsen Zustand, dass ich auf weitere solcher Holper-Erfahrungen gut verzichten kann.

Immerhin treten meine sehr müden Beine ab Kilometer 50 wieder brav im Trott, auch wenn ich ziemlich erschöpft bin. Eine Weile geht es auf Landstraßen und Radwegen stumpf weiter, ich starre auf die Packtaschen am Rad vor mir, denke nichts, trete nur. Außerdem war da ja noch die Hoffnung, dass es diesmal kürzer ist. Pustekuchen. Als wir in gegen 15:00 in Nienburg eintreffen zeigt das Tacho 65 zurückgelegte Kilometer an. Ich ahne schon, dass die Distanz nach Verden dann auch nicht die versprochenen "unter 40" sein werden.

Aber erstmal gratulieren wir dem Kumpel zum Geburtstag, bei dem wir uns netterweise zu Kaffee und Kuchen eingeladen haben. Zwei Stunden Pause, die auch bitter nötig ist. Ich kippe schnell und viel Kaffee und Cola nach. Ich bin müde, erschöpft und das Wundsein ist inzwischen auch nicht mehr zu einfach weg zu ignorieren.

Gegen 17:00 ist das zwischenzeitlich aufgezogene Gewitter auch weiter gezogen, wir tauschen die normale Kleidung wieder gegen Radklamotten. Die Androidmap sagt: 37km. Wir schauen nicht, was der Garmin sagt. Böser Fehler.

Erstmal fahren wir nur bis zur Innenstadt und ich kaufe mir ad hoc eine gepolsterte Radhose. Für etwa 20km nimmt sie dem Schmerz auch die Spitzen. Danach wird die Radtour zu einer "Mensch gegen Natur" Challenge. Starkregen, heftige Böen des Gewitters, Hagelschauer und eine ganz blöde Routenplanung machen jeden Kilometer unendlich anstrengend und mühsam. Ich kann nicht mehr, ich mag nicht mehr. Meine Kräfte sind erschöpft. Längst kann ich durch geschickte Wahl des Ganges nicht mehr Kraft gegen Kondition tauschen. Meine Beine strampeln gefühlt nur noch, um überhaupt gegen den Wind anzufahren, wir sind klitschenass geregnet.

Plan B. In Eystrup ist ein Bahnhof, wir fahren den Rest mit der Bahn. Der Navi sagt zu dem Zeitpunkt noch irgendwas knapp unter 30km bis Verden, Irgendwas um die 20 haben wir bereits. Wait what? Es sollten doch nur 37km insgesamt sein. Wir checken die Strecke. 50 Kilometer Gesamtdistanz. Meine Motivation flieht, das zieht mich runter. Ich kann doch nicht mehr. Also umnavigiert, 6km bis nach Eystrup. Das geht noch. Irgendwie.

Nur einen Kilometer weiter stehen wir auf der falschen Seite der Weser, keine Brücke, die Fähre fährt heute auch nicht mehr. Also doch weiter mit dem Rad. Mir ist zum Heulen.

Beim nächsten Regenguss gucken wir an einem Bushäuschen. Kein Bus mehr. Und sowieso nicht nach Verden. Es zeichnet sich ab: irgendwie müssen die letzten 25km bewältigt werden. Auf dem Rad. Mir tut alles weh, ich mag gar nicht mehr. Immerhin hat uns die Schlechtwetterfront inzwischen deutlich überholt, die Sonne scheint wieder.

Wir stemmen uns gegen den Wind, die Beine bewegen sich stoisch weiter, die Kilometeranzeige bewegt sich im Schneckentempo vorwärts. Ich wollte heute nicht nochmal ausprobieren, ob der Durchhänger wieder zwischen 40 und 50km kommt. Eigentlich hänge ich eh nur noch durch, aber die Beine treten einfach weiter.

Kilometer 43. Trinkpause. Ich schaue auf mein Telefon und zufällig kommt gerade ein Anruf von zu Hause rein. Ich rede mir schnell den Frust von der Seele, verfluche alle Garminmitarbeiter. Da erzählt mir der Mann, es hätte sein Handy zerlegt. Mist. Auch das noch. Immerhin finden wir eine Übergangslösung. Noch 7 weitere Kilometer.

Verden. Verden ist etwas mittelalterlich. Zumindest was den Straßenbelag angeht. Ich heule jetzt echt, weil zwei Kilometer über Kopfsteinpflaster will mein geschundener Körper nicht mitmachen. Dann endlich, das Hotel.

Es ist inzwischen 21:00, wir haben über drei Stunden für die 50km gebraucht. Insgesamt 115km heute. Lichtblicke: heiße Dusche, warme Restaurantküche bis 22:00. Juhu.

Danach schlafe ich völlig erschöpft ein. Immer, wenn ich nachts aufwache scheinen meine Beine eher so angeschraubte Betonklötze zu sein. Gehen ist seltsam, Treppensteigen noch mehr. Morgen nochmal 90 Kilometer? Fühlt sich nicht so an.