Mittwoch, 29. Juni 2022

Lost luggage - (Tag 3)

 Aufwachen zu schönstem Sonnenwetter. Ich gehe in die Gemeinschaftsküche des Hotels und organisiere uns Kaffee und Löffel für unseren Frühstücksjoghurt. Dabei treffe ich drei ältere Schweizer, wir unterhalten uns eine Weile. Natürlich ist unser verlorenes Gepäck Thema und deren Angelerfolge. Ich freue mich sehr, dass es Kaffee gibt. Wir frühstücken und packen dann unsere paar Habseligkeiten in einer Plastetüte zusammen. Bevor wir irgendwas anderes machen, muss ich unbedingt zu einem Optiker und Linsenmittel besorgen. Ich trage die Linsen jetzt seit 29 Stunden und mag nicht mehr. Ich weiß nicht, wie Leute das aushalten, die ihre Linsen auch nachts im Auge lassen. Für mich ist das nix.

Wir gehen also mit unserem Plastebeutel samt Zahnbürsten und Deo in die Einkaufsstraße und schon dabei schwitze ich mich zu Puppenlappen. 1. Stopp bei der Bank. Die verlängerte Unterkunft, die wir heute Abend beziehen, können wir cash bezahlen. Zweiter Stopp Optiker, dann Outdoorladen, wo ich mir eine kurze Hose und ein Tshirt kaufe. Ich bin sehr gespannt, ob Norwegian mir das ersetzt - oder ob wir schon um die gekauften "essentials" streiten müssen. Wobei ich ja finde, dass ein Tshirt und eine Hose schon zu essentiellen Dingen gehören. Schauen wir mal.

Wir wollen uns E-Scooter nehmen, um zum Bahnhof zu fahren. Leider funktioniert meine Kreditkartensicherheitsabfrage nicht. Voll super. Die ist so sicher, dass nicht mal ich damit bezahlen kann. Nagut. Dann "wandern" wir eben zum Flughafen. Dazu muss man wissen, dass Tromsø auf einer Insel liegt, die aus sehr viel Berg besteht. Der Flughafen ist auf der einen Seite des Berges und die Innenstadt auf der anderen. Bei Affenhitze marschieren wir also quer durch die Wohngebiete, vorbei an einem idyllisch gelegenen See über den Hügel und auf der anderen Seite wieder hinab. Bei 30°C fühlen sich diese 5km wirklich an wie eine Wanderung. Per SMs wurden wir informiert, dass zwei Gepäckstücke via Bodø heute eintreffen sollen. Wir sind eine Weile nach dem Flugzeug da und entdecken gleich vorn am Terminal einen unserer Fahrradkoffer. Große Hoffnung. Wir finden am Gepäckband auch den zweiten. Von unserem restlichen Gepäck keine Spur. Ich stelle mich in die Schlange, lasse die Nachsendeadresse ändern und vermerken, dass 2v5 Gepäckstücken angekommen sind. Über die anderen gibt es noch keine Infos.

Wir stellen uns mit den Radkoffern in den Schatten vor dem Terminal und fangen an zusammenzubauen. Fairerweise muss man sagen, dass ich primär Teile reiche oder halte und L. zusammenbaut. Es wird ziemlich windig und kühl. Ich ziehe mal lieber meinen Pulli über. Die Temperatur ist mit dem Wind um 15°C gefallen. Dunkle Wolken ziehen auf. Wir müssen heute noch 15km radeln. Zwischendurch kommt eine weitere SMS - unsere Koffer wurden gefunden. Wie schön. Schon mal gefunden. Es gibt aber kein "Anreisedatum" für die Koffer. Wir werden also unser Krams irgendwie so transportieren müssen und einen weiteren Tag am Flughafen einplanen.

Als die Räder fertig zusammengebaut sind, nimmt L. zusammen mit den Radkoffern ein Taxi zum Post Office im Zentrum. Er kauf außerdem Radtaschen, ein Medikit und zwei "günstige" Regenjacken. Es ist inzwischen ziemlich kalt, dunkle Wolken ziehen durch und der Wind hat nochmal ordentlich aufgefrischt. Ich sitze im Terminal, passe auf unser Zeug auf und warte. Dabei lese ich Artikel über chaotische Zustände am Flughafen (bitte hier ein lorioteskes "Ach!" vorstellen).

L. kommt mit einem E-Scooter zurückgefahren und während andere Leute lustig Touristenfahrten mit den Dingern machen, oder sie auch als Alltagsvehikel nutzen, sieht es bei L. eher... naja unbeholfen aus. Ich lache (innerlich!!!) ein bißchen und winke ihm. Er zeigt irgendwo hin und ist wieder verschwunden. Ich nehme an, er sucht noch einen adäquaten Parkplatz. Eine halbe Stunde (oder mehr) vergeht und irgendwann frage ich mich ernsthaft, ob ich vielleicht jemand anderem gewunken habe, denn L. kommt nicht wieder. Ich zweifele etwas an meinem Verstand, warte noch ein paar weitere Minuten und rufe dann an. Ich hatte mich zum Glück nicht geirrt beim Winken. Der Flughafen ist nur außerhalb der Scooterzone und L. hat ihn zum nahegelegenen Einkaufszentrum gebracht. Das ist zwar direkt am Airport, allerdings auf der anderen Seite und da die Landebahn dazwischenliegt ist das Zentrum zwar Luftlinie nah, aber nicht Weglinie. Wir verstauen unseren Krempel in den neuen Packtaschen. Das klingt zwar etwas "über" - aber wir wissen ja nicht, wie lange wir zwar auf den Rädern mobil sind, aber ohne Ausrüstung. Wir werfen die Regenjacken über, warten noch ein bißchen den schlimmsten Regen ab und radeln dann los. Zuerst mal über die Brücke und dann immer schön auf dem Radweg entlang. Sehr komfortabel. Plötzlich hält neben uns ein Auto. Verständnislos schaue ich und frage mich, was die Autofahrer wohl von uns wollen. Sie halten an und fotografieren. Aha. Ich drehe mich in die andere Richtung und entdecke nun auch endlich den Elch, der dort auf der Wiese eines Vorgartens sitzt.

L. hingegen wunderte sich eine Weile, warum Leute eine Elch-Statue aus dem Auto heraus fotografieren. Dann wunderte er sich, wieso Statuen den Kopf drehen.

Ziemlich zeitgleich fiel dann der Groschen. Wir halten natürlich auch an und fotografieren den Elch. Wir sind schließlich vorbildliche Touristen. Wir radeln weiter, es beginnt zu regnen. Wir praktisch, dass wir da gerade auf Höhe eines Einkaufladens sind. Irgendwas müssen wir ja essen, unsere Vorräte sind weiterhin "gefunden". Keine Neuigkeiten, ob die Koffer auch weitergeflogen wurden. L. geht einkaufen, ich stehe draußen und warte und passe auf die Räder auf. ich bin sehr müde. Aber es liegt noch ein Stück Strecke vor uns, ebenso die heutigen Höhenmeter.

Immerhin hört der Regen, wie angesagt, wieder auf und es wird angenehmer. Trotzdem sind unsere Hosen total durchnässt. Das wird total toll später mit den eigenen Regenklamotten im Regen zu radeln. Wir fahren weiter, biegen ab und dann fühle ich, wie diese gemeine Radtasche mich bergauf einfach nach hinten zieht. Es ist eigentlich nur ein kleiner Berg, aber nach all dem Stress und dem wenigen Schlaf schon eine richtige Hürde. Wir halten kurz um zu Atmen, werden aber direkt von richtig vielen Viechern belagert. Also lieber schneller atmen und dann weiterfahren. Hinter dem höchsten Punkt öffnet sich der Blick über den Ersfjord und wir sind praktisch auch schon da. Wir finden die Unterkunft und kommen erstmal an. Viel Kram zu verstauen gibt es ja nicht. Ich bestücke den Kühlschrank, wir duschen erstmal und freuen uns aufgewärmt zu sein. Dann kochen wir Nudeln, die es mit Dosenthunfisch und Käse gibt. Schnell ins Bett. Hoffentlich kommen morgen die fehlenden Koffer an.